St. Petersburg – heute die Partnerstadt von Hamburg – ist eine junge Stadt. Im Mai 1703 von Zar Peter I. scheinbar gegen jede Vernunft und gegen erheblichen Widerstand im sumpfigen Delta der Newa am Rande der bewohnten Welt gegründet und 1712 von ihm zur Hauptstadt seines riesigen Reiches erhoben, war sie dazu bestimmt, dem rückständigen Russland als «Fenster nach Europa» zu dienen. Zwei Jahrhunderte lang wurden Russlands Geschicke vom «Winterpalast», der barocken Residenz der Petersburger Kaiser, aus bestimmt, bevor 1918 «der Kreml», die mittelalterliche Zitadelle der Moskauer Zaren, diese Funktion übernahm. Von internationalen Architekten erbaut, ist St. Petersburg als «europäisches Gesamtkunstwerk» bezeichnet worden, als «Venedig des Nordens». Auch viele bekannte Schriftsteller reisten nach St. Petersburg und schrieben über die Stadt. Nach dem Oktoberumsturz von 1917 pilgerte die europäische Linke hoffnungsvoll nach Leningrad, in die «erste Zitadelle der Sowjetmacht». Keine andere Stadt dieser Größe hat so viel Literatur über sich selbst hervorgebracht wie St. Petersburg. Dabei handelt es sich nicht nur um den sogenannten «Petersburger Text» der russischen Literatur, sondern auch um Memoiren, Tagebücher, Reiseberichte und Korrespondenzen. Der Reiz der Texte liegt in ihrer Polyphonie – die Autoren schreiben in der Sprache ihrer Zeit und aus ihrem persönlichen Blickwinkel. Das Buch ist keine Anthologie im herkömmlichen Sinn und auch kein literarisches Lesebuch, sondern ein Geschichtsbuch, eine historische Textcollage, wie es sie bisher nicht gegeben hat.
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