Ich kann nur immer wieder darauf hinweisen: Es gibt nichts Schlimmeres, als sich selbst seiner Freiheit zu berauben. In Unfreiheit leben zu müssen, in dem Gewaltsystem der Gefangenschaft leben zu müssen, ist nicht nur eine körperliche Bestrafung, nein, die geistige Bestrafung ist die viel schlimmere. Die sich einstellende Entmündigung, die permanente Willkür, die, täglich ausgeübt, kaum noch spürbar ist. Der sich einnistende Virus des »Ich kann ja eh nichts ändern«, dieses tägliche belogen werden und das sich damit abfinden. Ich muss dies zwischendurch immer wieder einmal zum Ausdruck bringen. Nicht dass der Eindruck entsteht, dass die Trauer, die Einsamkeit, der Zorn über erlittene Unbill, die Demütigungen und die Erniedrigungen gar nicht so schlimm waren, denn sonst wäre ich ja nicht immer wieder ins Gefängnis gekommen. Trotzdem nahm ich das Risiko der Verhaftung immer wieder in Kauf, holte mir bei meinen Taten meine »Streicheleinheiten«, meine Bestätigung, ich war zwar auf der falschen Seite, aber da war ich einer, war der Siggi, und ich war gut in meinem Job. Über dieses Rätsel, das ich bis heute nicht vollständig lösen konnte, kam ich schon so manches Mal ins Grübeln und ich fragte mich: Was war oder bin ich für ein Mann? Ein Mann, der andere ihres Besitzes beraubt und der trotzdem von sich sagt, dass er ein ganz normales Leben führt. Ein Mann, der über ein Drittel seines Lebens im Gefängnis verbrachte und sich selbst als einen völlig normalen Familienvater ansieht. In der Einstellung vielleicht, im Wunschdenken vielleicht, aber im wirklichen Leben, in der Realität muss ich verneinen. Kein »normaler« Mann überfällt zum Beispiel eine Bank.
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